allein der Wahlabend in Brandenburg hat wieder gezeigt, dass Begriffe wie „extremistisch“, „radikal“ oder „menschenverachtend“ im Zusammenhang mit der AfD verharmlosend sind und zu kurz greifen, um zu beschreiben, was die AfD tatsächlich anstrebt und offen ausspricht: „Hey, das geht ab, wir schieben sie alle ab“, singt die AfD auf ihrer Wahlparty – wohlgemerkt im Beisein der Bundesspitze, berauscht an ihrer eigenen Menschenfeindlichkeit. Auf Schildern fordern junge AfDler*innen dazu vor laufenden Kameras „millionenfache Abschiebungen“ – in einem Bundesland, in dem 2,5 Millionen Menschen leben. Es ist für mich unverständlich, warum ausgerechnet dieser Landesverband vom Verfassungsschutz nicht längst als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde. Nicht, dass es einen großen Unterschied machen würde, aber bisher ist er nur ein Verdachtsfall. Der Verdacht, der sich mir aufdrängt: Auch in Brandenburg wurde die Radikalisierung der AfD verschlafen, obwohl das Land lange vorbildliche Ansätze gegen Rechtsextremismus verfolgte. Dem parlamentarischen Rechtsextremismus hatte es nichts entgegenzusetzen. Die neue Landesregierung muss das ernst nehmen, doch der Kampf gegen Demokratiefeindlichkeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Rechtsextreme Netzwerke zerschlagen ist eine Sache, die sofort getan werden kann. Eine traghafte und lebenswerte Zukunftsvision für Brandenburg zu entwickeln und glaubhaft nach außen zu tragen, braucht Zeit. In mehreren Regionen Brandenburgs herrscht bereits eine rechtsextreme Vorherrschaft, und zivilgesellschaftliches Engagement für unsere Demokratie ist dort nur noch unter Gefahr für Leib und Leben möglich. Trotzdem hat sich eine starke und widerstandsfähige Zivilgesellschaft entwickelt, die sich tagtäglich gegen die Verrohung des politischen Klimas und gegen rechte Hetze stellt. Dieses Engagement von Initiativen, Bündnissen und engagierten Bürger*innen hat dazu beigetragen, dass bei den Landtagswahlen eine demokratische Partei an erster Stelle steht – und nicht eine rechtsextreme. Diese Leistung sollten die demokratischen Parteien wertschätzen und zusammen mit der Zivilgesellschaft überlegen, wie sie es partnerschaftlich schaffen, dass die Demokratie wieder als wirksames und vertrauenswürdiges Modell wahrgenommen wird. Wegignorieren wird keine Lösung sein, sonst werden sich Rechtsextreme in diesem Vakuum weiter als „Kümmerer“ geben können.
Die AfD ist jedoch nicht nur rechtsextrem. Antisemitismus bildet nach wie vor einen zentralen Pfeiler ihrer Weltanschauung. Jüdische Menschen in Brandenburg beobachten mit großer Besorgnis das Erstarken der AfD. Im Oktober jährt sich das antisemitische und rassistische Attentat auf die Synagoge und den Kiez-Döner in Halle zum fünften Mal, ebenso wie der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Dieser schwerste antisemitische Pogrom des Jahrhunderts führte weltweit – auch in Deutschland – zu einem Anstieg antisemitischer Vorfälle und Gewalt. Am 8. Oktober eröffnen wir daher die Bildungs- und Aktionswochen im Zeiss-Großplanetarium in Berlin unter dem Schwerpunkt „Terror gegen Juden“. Wir freuen uns, wenn Sie sich auch anmelden. Denn seit Langem ist Terror gegen jüdisches Leben omnipräsent – und trotzdem vielfach ignoriert. In den letzten Jahren zeigen etliche Beispiele, wie aus antisemitischen Worten mörderische Taten werden. Antisemitismus ist nach wie vor lebensgefährlich.
Die Amadeu Antonio Stiftung wird weiterhin mit aller Kraft die Zivilgesellschaft dabei unterstützen, sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus zu wehren – in Brandenburg und im Rest der Republik. Wer die Ergebnisse der Europawahlen anschaut, kann sich ausrechnen, dass wir wahrscheinlich auch bald überall in Deutschland eine Situation wie jetzt im Osten haben, wenn wir nicht aufpassen. Österreich lässt in diesem Zusammenhang grüßen, dort wird dieses Wochenende gewählt. Am Ende wartet mit der FPÖ aller Voraussicht nach eine rechtsextreme Regierung unter Herbert Kickl. Dieser konnte bereits in der Regierung mit Sebastian Kurz eine Häutung durchmachen und die österreichische Zivilgesellschaft als Innenminister massiv schwächen – rechtsextrem ist dort unlängst das neue normal. Deswegen freuen wir uns, wenn wir mit Ihren Spenden auch weiter Projekte und Initiativen fördern können, nicht nur um das in Deutschland zu verhindern. Sondern auch, weil sie verdammt gute Arbeit machen.
Vielen Dank für Ihr Engagement und Ihre Unterstützung!
Ihr Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung |