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Pre:bunk - Unser Projektname ist Methode

Wie funktioniert prebunking?

Pre:bunk ist nicht nur der Name unseres Projekts, sondern beschreibt einen Methodenansatz, der einer Verbreitung von Desinformationen entgegenwirken soll. Die von uns angewendeten und entwickelten Methoden richten sich nicht nur an Creator*innen, sondern auch mehr oder weniger passive Nutzer*innen.


Ein Großteil der Prebunking Methoden versucht Nutzer*innen über Desinformationsstrategien frühzeitig aufzuklären, allgemeingültige Aspekte dieser Täuschungsstrategien offenzulegen und Nutzer*innen beizubringen, wie sie selbst verhindern, Desinformationen/Misinformationen ungewollt weiterzuverbreiten. Zu jeder Methode haben wir euch ein paar Beispiele von unserem Kanal verlinkt.


Von Theresa Lehmann


Themen 
 Desinformation / TikTok / Pädagogik 


Welche Methoden von pre:bunking gibt es?

In diesem Newsletter wenden wir uns dem Konzept hinter unserem Projektnamen zu. Wir schauen uns an, welche prebunking Methoden es gibt und wie diese in der Onlineprävention allgemein und in der Onlineprävention im Besonderen einfließen können. Angelehnt an die untersuchten Interventionsformen in der medienpsychologische Untersuchung von der Kommunikationsforscherin Carolin Theresa Ziemer und dem Rechtsextremismusforscher Tobias Rothmund (2024) von unterscheiden wir zwischen Boosting, Inokulation, Nudging und Identitätsmanagment. Eine Übersicht in ihre Funktionsweise:



Boosting

Hauptziel von Boosting, ist es, Wissen zu vermitteln zu Themenbereichen, in denen Falschinformationen häufig vorkommen, wie beispielsweise der Klimakrise. Hierzu gehört auch die Herausforderung, niedrigschwellig Informationen aufzubereiten und inklusive Wissenszugänge zu schaffen. Es ist ein langfristiger Ansatz, der vor allem auf eine Zielgruppe setzt, die faktenbasiert agiert. Neben Fachwissen, begreift man als Boosting aber auch die Wissensvermittlung im Bereich der Desinformationsforschung und Plattformfunktionen und -politiken. Es geht nicht nur darum, Menschen vor Fehlinformationen zu schützen, sondern sie auch zu befähigen, in der digitalen Welt kompetent und sicher zu navigieren. Hierzu gehört auch die missbräuchliche Verwendung synthetischer Medien und KI, um Falschinformationen zu verbreiten (siehe letzte Ausgabe des Newsletters). Boosting ist besonders wichtig in einer zunehmend komplexen Informationslandschaft, da es den Menschen die Werkzeuge an die Hand gibt, die sie benötigen, um eigenständig fundierte Entscheidungen zu treffen und kritisch zu denken.

Inokulation

Unter Inokulation versteht man Immunisierungsansätze. Das heißt gezielte Konfrontation mit ausgewählten Desinformationen im Rahmen eines Workshops, Berichterstattung oder Quizzen.
Audiovisuell vermittelt kann dies auch ein Video im Sinne der Faktensandwichmethode sein.
Diese Konfrontation soll präventiv wirken. Im Prinzip sind es ausgewählte, beispielhafte Faktenchecks, die uns schon erreichen, bevor es die Falschinformation tut. Mithilfe von Inokulation sollen auch längerfristig Desinformationsstrategien leichter identifiziert werden können.

Gezielte Konfrontation mit Desinformationen im Kontext von Wahlen auf dem pre:bunk-Account. Quelle: Screenshot TikTok


Identitätsmanagement

Unter Identitätsmanagement versteht man Strategien emotionaler Selbstregulierung und Reflexion des Medien- und Informationskonsumverhaltens. Hierzu gehören Perspektivwechsel, die in der politischen Bildung auch unter Förderung der Ambiguitätstoleranz verstanden werden können. Kontroverse Inhalte müssen nicht zuletzt im Bereich der politischen Bildung auch in kurzen Videos kontrovers dargestellt werden. Der Beutelsbacher Konsens bildet auch in dieser Vermittlungsform den Rahmen. Abwägungen, Differenzierungen und auch Widersprüche abzubilden kann Unverständnis und Abwehr entgegenwirken.


Auch eine angestoßene Reflexion zum eigenen Nutzungsverhalten kann helfen. Doomscrolling, also das endlose swipen und scrollen, in einer politischen oder gesellschaftlichen Krisensituation oder bei einer Naturkatastrophe, können unsere Wahrnehmung verzerren und lähmend wirken. Statt “swipende Hilflosigkeit” im Medienkonsum weiter zu verfestigen, können Impulse geschaffen werden, sich von den gesehenen Inhalten abzugrenzen, Pausen einzubauen und Selbstkontrolle zu erlernen. Überwältigt von Nachrichten, postet man auch mal etwas ungeprüft und wird so unabsichtlich zum leichten Ziel für Desinformationen.
Fazit: Also ja, Selfcare kann vor der Verbreitung von Falschinformationen schützen!


Auch die Förderung emotionaler Intelligenz und Empathie durch Inhalte können zu einem sicheren Medienkonsum beitragen. Emotionen gezielt zu adressieren kann hilfreich sein, bei Personen, die man auf der Faktenebene nicht mehr erreicht. Auch Skills im Umgang mit negativen Emotionen wie Frustration, Überforderung, Angst, Panik und Wut können hierzu gezählt werden. Tipps im Umgang können mithilfe von Trendsounds, Vlogs, Sketchen oder Livehackformaten vermittelt werden.

Nudging

Nudging heißt erstmal ganz allgemein so viel, wie Impulse zu schaffen, eine bestimmte Verhaltensweise an den Tag zu legen und dennoch eine Wahlfreiheit zu gewähren. Letzteres ist wichtig, da sonst schnell der Eindruck der Bevormundung entsteht und eine psychologische Reaktanz, also einen Abwehreffekt haben kann, der sich kontraproduktiv auswirkt. Dieser Impuls kann technisch auf einer Nutzer*innenoberfläche einer Plattform vermittelt werden oder aber auch im sozialen Kontext durch bestimmte Kommunikationsformen erreicht werden. Wenn Plattformen wie TikTok vor Wahlen Videos mit Bannern ausstatten, die zu einem Informationshub führen, ist dies auch eine Nudgingstrategie. Auch Pop-ups, die danach fragen, ob man einen potentiell Hassrede beinhaltenden Beitrag teilen möchte, zählen dazu.

Nudgingstrategien von der Plattform. Quelle: Screenshot TikTok


Im Sinne der Prebunking Methoden sind damit auch Impulse gemeint, die Nutzer*innen ermuntern, wenn sie Content kreieren, Beiträge zu erstellen, die in ihrer Form und ihrem Inhalt anregen, verantwortungsbewusst Informationen zu kommunizieren und somit zu einer sichereren Nutzer*innenerfahrung beizutragen; beispielsweise indem sie Quellen angeben, wenn sie in ihren Erklärvideoformaten Behauptungen aufstellen. Die Verbreitung von Misinformation lassen sich eindämmen, indem man dazu aufruft, Informationen zu überprüfen, bevor man sie teilt, oder an das Verantwortungsgefühl von Creator*innen appelliert gegenüber ihrer Community.


Ziel des Nudging ist es, durch kleine Änderungen im Verhalten oder Präsentation die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass Menschen Entscheidungen treffen, die in ihrem besten Interesse sind, ohne dabei ihre Autonomie zu untergraben. Ein Beispiel hierzu ist unser Appell, Rechtsextreme Inhalte nicht auf TikTok zu stitchen. Auf anderen Plattformen haben sich  irgendwann Strategien und Wertevorstellungen durch die regelmäßige Auseinandersetzung innerhalb von Communitys herauskristallisiert, die sich in der Plattformkultur etabliert haben. Analog zum Stitchbeispiel ist hier das Screenshotten rechtsextremer Inhalte zu nennen, statt diesen mit Retweets Reichweite zu geben.


8 Tipps für Prebunking in der Content Creation:

-Mit gutem Beispiel voran: Quellen angeben, keine antidemokratischen Inhalte 
-Offenheit: Fehlerkultur und Ergänzungen beugen Vertrauensverlust vor
-Transparenz: Lücken und Unwissen sichtbar machen
-Mitnehmen: Macht eure Recherchewege sichtbar und nachvollziehbar
-Content Recycling: Prebunking wirkt nachhaltiger durch Wiederholung
-Machtasymmetrien abbauen: Community miteinbeziehen oder auch mal um Hilfe bitten
-Aktivieren: Integriert interaktive Elemente, wie Fragen, Quizze oder Challenges
-Emotional einchecken: Die Stimmung der Community kann wichtiger Hinweisgeber für weitere Ansprachen und Bedürfnisse sein


Pre:bunk Take Away

Prebunking Methoden können uns allen dabei helfen, im täglichen Feed nicht die Orientierung zu verlieren. Sie sind ein wichtiger Bestandteil gegenwärtiger Medienkompetenz. Hier können Plattformen auch aktiv werden, mit Infobannern, Erinnerungen an die Nutzungszeit und Funktionen, die zu einem sichereren Nutzungsverhalten beitragen. Für einen nachhaltigen Effekt ist es wichtig, Inhalte regelmäßig zu wiederholen. Deswegen starten wir diesen Sommer auch mit dem Reupload (dt. Wiederveröffentlichung) von Videos, deren Zeitkern nicht sensibel ist. Dies spart nicht nur unsere Ressourcen in den Sommerferien, sondern ist sogar im besten prebunking Sinne.


Neben Informationskompetenzen rücken bei Content Plattformen auch Wissensvermittlungskompetenzen in den Vordergrund, um präventiv gegen die Verbreitung von Misinformationen, Desinformationen und gefährlichen Verkürzungen vorzugehen. Wir tragen eine große Verantwortung, wenn wir Inhalte selber erstellen und verbreiten. Transparenz, ein Transfer des Beutelsbacher Konsens in die multimodale Lebenswelt und eine journalistische Sorgfaltspflicht betreffen nicht nur politische Bildner*innen, Digital Streetworker*innen, sondern alle Content Creator*innen & Nutzer*innen. Prebunking ersetzt Faktenchecks und Debunking nicht, aber dient als wichtige Ergänzung, um niedrigschwelligen Informationskonsum auf TikTok, YouTube und Co. sicherer zu gestalten.

Das Projektmotto von pre:bunk ist deshalb auch: Mit großer Reichweite kommt große Verantwortung.


Unsere prebunking Best Practice-Kanäle to go:

@correctiv
@reporterfabrik
@dpa_factchecking

@fakecheck
@anallemschuld
@mozilla
@fragdenStaat
@maithi_nk
@keine.erinnerungskultur
@brudersteve

@Oleliebl


Weiterführende Informationen zur Prebunking-Methode und digitalen Demokratiegefährdungen:

-Faktenstark Podcast

-Pschologische Interventionen gegen Desinformationen, Carolin Theresa Ziemer, CeMAS

-Prebunking als Möglichkeit zur Resilienzsteigerung, Konrad Adenauer Stiftung

-Bpb Werkstatt - Podcast zu Storytelling & Bildung

-Prebunking Content auf Youtube von Google Jigsaw und zahlreichen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen

-Das Glossar zur Lebenswelt TikTok des Projekts demo:create wurde erneuert

-Medienpädagogischer Elternabend zu TikTok - jetzt anmelden!

-Digitalreport: Die extrem rechte Telegram-Szene während des sächsischen Kommunalwahlkampfes 2024

-Aktiv werden! Gegenwind – Förderfonds für Ostdeutschland

-Demokratie stärken - jetzt spenden


Termine:

-Stitching democracy Fachtagung - Jetzt anmelden! Pre:bunk ist mit einem Stand und Inputs dabei

-Blickwinkeltagung - Bytes & Bias - jetzt anmelden! Pre:bunk ist mit einem Input dabei

-Demo:create goes Reeperbahnfestival


Ihr habt Fragen oder Anmerkungen zu dem Newsletter oder unseren Inhalten?

Meldet euch gerne jederzeit bei uns! Ihr erreicht „pre:bunk" unter der Mailadresse:

prebunk@amadeu-antonio-stiftung.de
Amadeu Antonio Stiftung
Novalisstraße 12 I 10115 Berlin
www.amadeu-antonio-stiftung.de
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