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#OnlineRealLife 

pädagogisches Community Management

Nachdem wir uns in den letzten Ausgaben vorgestellt, die Wahlen thematisiert und zu den Angriffen auf den Pridemonth berichtet haben, geben wir euch diesen Monat einen Einblick, wie pädagogisches Community Management einen Unterschied machen kann. Warum und wie moderieren wir unseren Content auf dem TikTok Kanal von pre:bunk, was ist eigentlich Empowerment Speech und warum ist sie so wichtig. Und was hat das alles mit Digital Streetwork und Onlineprävention zu tun.

von Cornelia Heyken

Themen 
Community Management / Digital Streetwork / TikTok


Warum pädagogisches Community Management?

Die Community im Blick zu behalten, für sie präsent zu sein und sie zu unterstützen, sind wichtige Faktoren in der Onlinepräventionsarbeit. Denn junge Menschen sind permanent online und sie trennen nicht zwischen der Online- und der Offline-Welt.


Für sie ist beides das #RealLife


Das bedeutet insbesondere für pädagogische Fachkräfte, die Online-Lebenswelten gleichwertig anzuerkennen, um gute Jugend(sozial)arbeit online leisten zu können. Wie wir wissen, sind Soziale Netzwerke wie TikTok einer der wichtigsten Kommunikationskanäle für Akteur*innen aller Art, darunter z. B. auch Politiker*innen. Hier haben sie die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit ungefiltert Millionen junge Menschen zu erreichen - denn TikTok ist eine der meistgenutzten Plattformen durch Jungendliche und junge Heranwachsende. Dabei werden nicht nur informative und positive Inhalte verbreitet, sondern auch solche, die vor allem Wut auslösen sollen, polarisieren und damit große Reichweite erlangen (wir berichteten im Newsletter #28). Umso wichtiger ist es, dass wir im Rahmen unserer pre:bunk-Angebote, die dem etwas entgegensetzen, ansprechbar sind, Fragen beantworten und auf Unklarheiten reagieren. Damit möchten wir junge Menschen befähigen, Falschinformationen zu identifizieren und sich medienkompetent und selbstbestimmt durch den unendlichen Stream von Kurzvideo-Content zu navigieren. Wir möchten damit aber auch alle pädagogischen Fachkräfte ermutigen, sich online in Sozialen Medien zu bewegen und diese Lebenswelt von Heranwachsenden neugierig zu erkunden, insbesondere TikTok.


pre:bunk gibt Hinweise zur Wahl. Quelle: Screenshot TikTok-Kanal @prebunk

Kommunikation und Interaktion in der Community

Wir interagieren aktiv mit den User*innen und nehmen uns die Zeit, Bedürfnisse und Anliegen zu verstehen. Wir beziehen Nutzer*innen in die Diskussionen ein, beantworten ihre Fragen, fördern das Networking untereinander, begleiten Konflikte und moderieren Trolling. Außerdem ist es wichtig, alle Beiträge und Erwähnungen zu sichten, positive Kommentare zu liken und – falls angebracht – mit einem passenden Text zu beantworten. Ein kurzes „Danke für das nette Feedback“ oder „Schön, dass Du unsere Videos magst!“ drückt Wertschätzung aus, ist menschlich und kann zu weiteren positiven Interaktionen anregen. Es macht auch Sinn, selbst anderen Kanälen zu folgen, proaktiv auf deren Inhalte zu reagieren oder diese auf den eigenen Kanälen zu teilen.

pre:bunk interagiert mit der Community. Quelle: Screenshot TikTok-Kanal @prebunk

Wir möchten im Rahmen der Präventionsarbeit ein diverses Publikum an jungen User*innen mit einer One-to-Many Ansprache erreichen und auf Augenhöhe und inklusiv mit ihnen kommunizieren, sodass sie uns ebenfalls gerne kontaktieren, wenn sie Unterstützung brauchen. Darüber hinaus bieten wir auch One-to-One Kommunikation an, wenn es erwünscht ist und darum gebeten wird. Ein Empowerment Ansatz ist wichtig für den Umgang mit unserer Zielgruppe und dennoch ist die Kommunikation in Bezug auf Grenzen ebenso wichtig. Unsere Präventionsarbeit widmet sich der Aufklärung über Radikalisierung und Desinformation auf TikTok und dafür ist ein nahbarer, aber dennoch professioneller Umgang sehr wichtig. Dazu interagieren wir sowohl mit unserem pre:bunk Kanal, als auch mit einem dazugehörigen pädagogischen Profil.

Unser pädagogisches Begleitprofil. Quelle: Screenshot TikTok-Kanal @prebunk

In beiden Fällen, One-to-Many und One-to-One, gelten grundlegende Kommunikations- und Interaktionsregeln:

  • direkte Ansprache
  • auf Augenhöhe
  • konstruktiv
  • einfach, inklusiv
  • interessiert, nachfragend
  • reaktiv auf Community (Q&A)
  • Machtebenen benennen
  • Ehrlichkeit und Grenzen
  • unterstützend, empowernd
  • Netiquette beachtend

Unsere Art der Kommunikation und Interaktion in der Community, beschreiben wir in ihrer Gesamtheit als Empowerment Speech mit präventiv-pädagogischem Auftrag. Sie unterscheidet sich z. B. von klassischer Counter-Speech und/oder Gegenrede sowie von einer Moderation, die eher ermahnend, löschend und Diskussionen verhindernd arbeitet. Sie basiert auf dem Konzept der Empowerment-Moderation von Marc Ziegele und Dominique Heinbach. Inspirierende und kreative Unterstützung für unsere Moderation holen wir uns außerdem gerne von unseren Kolleg*innen aus dem Projekt civic.net über den ModSupport.


Pädagogischer Auftrag Onlineprävention

In der pädagogischen Kommunikation – egal ob One-to-Many oder One-to-One – greifen auch im Rahmen des Community Managements die Minimalstandards, welche wir uns im Projekt pre:bunk gesetzt haben.


  • Wir arbeiten auf Augenhöhe und akzeptierend: Wir nehmen unsere Adressat*innen ernst in ihren Anliegen, in der Krise und auch in dem Zustand, in dem sie sich befinden und bemühen uns mindestens darum, dass die Situation sich nicht verschlechtert.

  • Wir verstehen uns als Digital Streetworker*innen und sehen uns in der professionellen Tradition des Streetworks: Wir respektieren die Regeln, die Standards und auch die Geschichte, aus der sie kommt und tragen diese weiter in einen gesellschaftsrelevanten Raum im Internet - TikTok.

  • Als Digital Streetworker*innen verstehen wir uns als eine menschenrechtsorientierte Profession: Wir wissen um die Vulnerabilität der Zielgruppen in unserer Arbeit sowie um die Extraktionsmechanismen von Plattformen und um die Datenerzeugung, die wir mit erstellen. Wir sehen Datenschutz nicht individuell, sondern kollektiv. Wir lobbyieren daher für mehr Schutz von vulnerablen Gruppen, die von neuen Technologien und ihren ausbeuterischen Mechanismen meist im Negativen betroffen sind und selten von ihr profitieren. Menschenrechte gelten für unsere Profession des Digital Streetworks auch im Netz und durch uns erfahren sie eine aktive Vertretung, insbesondere in der Netzpolitik.

  • Wir verstehen uns bei allem, was wir im Rahmen des Digital Streetwork tun als medienbildnerisch und demokratievermittelnd: Wir tragen dazu bei, dass soziale Normen in ungesteuerte digitale Räume kommen. Wir arbeiten partizipativ, vermittelnd, intervenierend, erklärend oder auch präventiv. Wir arbeiten für den digitalen gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Wir orientieren uns darüber hinaus – insbesondere im Falle einer Beratung/Intervention o. ä. – am Kinder- und Jugendschutz, an den rechtlichen Grundlagen für die Jugend(sozial)arbeit aus dem SGB VIII, an der DSGVO sowie an aktuellen und gängigen sozialarbeiterischen und pädagogischen Grundlagen, Methoden und Konzepten.


Pädagogische Kommunikation mit pre:bunk. 

Quelle: Screenshot TikTok-Kanal @prebunk

Konflikte, Trolling, Regeln & co.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten auf provozierende, beleidigende oder störende Kommentare zu reagieren, denn einheitlichen Richtlinien, die auf jeden Fall zum Erfolg führen, sind nicht bekannt. Zuerst ist es wichtig, zu erkennen, ob es sich um einen Fake-Account, Bot oder wirklich einen Troll handelt. Und, ob die Person wirklich trollt oder vielleicht nur unzufrieden ist, aber echtes Interesse an Austausch hat oder sich z. B. auf diese Art mitteilen will. Die Möglichkeiten sind vielfältig und je nach Einzelfall auch unterschiedlich zu bewerten: Will ich der Person Aufmerksamkeit schenken und ihr somit auch mehr Reichweite geben oder soll ich sie rigoros blocken? Bringt es der Community einen Mehrwert? Kann ich der Person eventuell im Sinne von pädagogischer Arbeit helfen oder muss ich das sogar, um unseren Projektzielen gerecht zu werden? Oder ist es an diesem Punkt wichtiger die Community und/oder einzelne Nutzer*innen zu schützen?


Laut Mimikama ist Trollen nicht nur ein Akt der Störung, sondern oft ein komplexes psychologisches Phänomen. Mimikama kommt daher zu dem Schluss, dass eine gesunde und respektvolle Online-Kommunikation gefördert würde, sofern ein Verständnis der Psychologie hinter dem Trollen und die Kenntnis seiner Auswirkungen auf Online-Diskurse bestünde. Es gäbe keine einfachen Lösungen, aber Bewusstsein, Bildung und aktive Moderation können dazu beitragen, die negativen Auswirkungen dieses Phänomens zu verringern. Das Community Management vom Volksverpetzer hingegen hat eine sehr klare und strikte Vorgehensweise. Es nutzt das Blocken als Schutz vor Spam und Trollerei. Sie möchten die Community vor Desinformationen, Verunsicherung und unseriösen Inhalten schützen und setzen daher ihre Grundsätze auch extrem streng durch. Das bedeutet aber nicht, dass unkommentiert geblockt wird. Sie gehen auf die Argumente immer ein, adressieren alle Fake News und antworten mit Artikeln, die das beleuchten, um sich nicht von Trollen leiten zu lassen. Die Artikel können alle sehen und vielleicht auch Sachen rauskopieren oder selber nutzen. Sie wandeln somit ihren Ärger in eine Antwort um, schaffen Werkzeug für Leute, die diese Argumente im Netz selbstständig sehen.


Für unser Projekt ist es wichtig einen guten Mittelweg zwischen Rigorosität und Hilfsangebot zu finden, da wir nicht allein ein klassisches Community Management betreiben, sondern auch einen pädagogischen Auftrag haben. Hier gilt es immer gut abzuwägen, welchen Weg wir einschlagen. Es gibt für uns keine klare Anleitung und nicht die eine Vorgehensweise. Einen Rahmen bietet unsere Netiquette, denn in unserem Fall ist es besonders wichtig, klare Regeln festzulegen. Aufgrund unserer spezifischen Themen und Ausrichtung der Stiftung, sind in manchen Konfliktsituationen frühzeitiges Eingreifen und Widersprechen nötig. Ein Grundsatz, der für uns gilt: Wir diskutieren nicht mit gefestigten rechtsextremen Weltbildern“. Weiterhin ist es für unsere Arbeit und die Community nicht nützlich, sich auf lange Diskussionen mit Rechtspopulist*innen, Verschwörungsgläubige usw. einzulassen, wenn klar erkennbar kein Interesse an einer Einigung besteht und Gegenargumente nicht beachtet werden. In derartigen Fällen ist es nicht mehr sinnvoll, beide Seiten in die Überlegungen einzubeziehen, die Situation aus verschiedenen Perspektiven zu verstehen, für alle Beteiligten akzeptable Lösungen zu finden und einen offenen Dialog zu fördern. Hier ist es viel wichtiger – auch im Sinne des Jugendschutzes – klare Standpunkte aufzuzeigen, falsche Behauptungen nicht unwidersprochen stehen zu lassen, Grenzen zu benennen, die Community mit einzubeziehen und wenn nötig zu blocken.


Konflikt-Kommunikation mit pre:bunk.  Quelle: Screenshot TikTok-Kanal @prebunk

Learnings

  • pädagogische Onlineprojekte profitieren von einem Community Management Konzept
  • Digitale Kommunikationsregeln (Netiquette) festzulegen kann sowohl im Team als auch in der Community für Klarheit sorgen und der Orientierung dienen
  • Was in der Kommentarspalte passiert, kann ein wichtiger Hinweis dafür sein, welche Bedarfe, Gefühle und Probleme in der Community vorherrschen. Diese Beobachtungen können helfen das Angebot zu verbessern

pre:bunk News

17.07. um 16:30 Online-Workshop: Desinformation erkennen – Medienkompetenz im KI-Zeitalter (Anmeldung bei prebunk@amadeu-antonio-stiftung.de)


Unsere Broschüre „Better fact-checked than sorry!“ ist online.
Jetzt downloaden!

Ihr habt Fragen oder Anmerkungen zu dem Newsletter oder unseren Inhalten?

Meldet euch gerne jederzeit bei uns! Ihr erreicht „pre:bunk" unter der Mailadresse:

prebunk@amadeu-antonio-stiftung.de
Amadeu Antonio Stiftung
Novalisstraße 12 I 10115 Berlin
www.amadeu-antonio-stiftung.de
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