das Aufwachmoment hält an, und sogar in so kleinen Orten wie dem thüringischen Themar, im niedersächsischen Georgsmarienhütte oder in Quedlinburg in Sachsen-Anhalt gehen die Menschen weiter für unsere Demokratie und gegen Rechtsextreme auf die Straße. Über 150.000 Menschen allein wieder letztes Wochenende. Zum ersten Mal seit Langem fühlen wir uns nicht mehr so allein, wie es sich angesichts von Anfeindungen, Diffamierung und Bedrohungen oft anfühlt. An allen Ecken und Enden der Gesellschaft bewegt sich jetzt etwas: Egal ob bei der Bischofskonferenz, unter Wirtschaft und Sozialverbänden oder in der Kreativwirtschaft, alle versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Demokratiefeindlichkeit und den Massendeportations-Fantasien des parteiförmigen Rechtsextremismus etwas entgegenzusetzen. Noch ist kein Allheilmittel vom Baum gefallen, aber es passiert gerade etwas ganz Entscheidendes: Denn endlich kommt bei einer großen Mehrheit an, dass jede*r Einzelne etwas tun kann - und muss! -, um unsere Demokratie zu verteidigen.
Als Amadeu Antonio Stiftung leisten wir unseren Beitrag, indem wir verlässlich den Initiativen den Rücken stärken, die den Gegenwind gegen Hass und Hetze vor Ort bilden.
Mit Ihrer Hilfe fördern wir derzeit etliche solcher Initiativen: Das Netzwerk für demokratische Kultur im sächsischen Wurzen ermutigt, mit einem Bus und vielen Gästen, die Menschen in den kleinen Ortschaften der Region, sich für die Demokratie einzusetzen. Das Netzwerk tvBUNT macht mit einem„Gruselkabinett“ im Landkreis Bautzen und im Erzgebirge auf die vernetzte Raumnahme der rechtsextremen Szene aufmerksam. Und das Kunstfest Weimar meldet sich mit künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum für Vielfalt und Toleranz zu Wort. Sehr gern würden wir noch mehr Initiativen in Ostdeutschland unterstützen – denn: Es gibt sie! Ihre Spende an unseren Fonds Gegenwind für Ostdeutschland hilft, sie zu beflügeln. Auch die Politik sucht nach eigenen Gegenmitteln, hält aber gebetsmühlenartig daran fest, man wolle die AfD "inhaltlich stellen”. Funktioniert hat das noch nie. Eine Partei, die sich selbst nicht an die Spielregeln der liberalen Demokratie hält, kann man nicht mit warmen Worten “entzaubern”. Es braucht gute Politik und die Bereitschaft, die wirkliche Brandmauer unserer Demokratie - den Instrumentenkasten unseres Grundgesetzes - in vollem Maße auszuschöpfen. Angekündigt wurde wieder viel Klein-Klein statt einer energischen Antwort, das meiste davon ist nicht neu und vor allem brauchen die Maßnahmen Zeit.
Zeit, die wir nicht mehr haben: Am 18. Februar wurde ein Brandanschlag auf ein Parteibüro der Grünen in NRW verübt, am gleichen Tag wurden in Thüringen die Scheiben von SPD-Büros eingeworfen. Am nächsten Morgen wurde das Wohnhaus des thüringischen SPD-Politikers Michael Müller in Waltershausen in Brand gesteckt. Die Täter nahmen mutwillig Tote in Kauf. Vorfälle wie diese kennen Engagierte gegen Rechts seit etlichen Jahren, nun trifft es immer häufiger auch Politiker*innen. Erst gestern twitterte AfDler Maximilian Krah: “Keine Partei wird in Thüringen und ganz Deutschland so oft angegriffen wie die AfD” - eine dreiste Lüge, wie so oft bei den Rechtsextremen. Denn 2023 wurden 478 Parteimitglieder der AfD Ziel von Angriffen - im gleichen Zeitraum jedoch 1.219 Angriffe auf Grüne verübt, dicht gefolgt von der SPD mit 420 Angriffen. Zusammengezählt sind 2.312 Angriffe auf Politiker*innen der demokratischen Parteien verübt worden, fast fünfmal so viele wie auf Rechtsextreme! Nun gehe ich davon aus, dass in den seltensten Fällen ein SPD-Anhänger eine FDPlerin angreift oder eine Linke-Wählerin einen Grünen-Abgeordneten bedroht. Es sind die Rechtsextremen, die seit Jahr und Tag den Hass gegen Repräsentant*innen der Demokratie schüren. Am 2. Juni jährt sich der Mord an Walter Lübcke (CDU), der zuvor Ziel einer rechtsextremen Hetzkampagne war, zum fünften Mal. Der Täter unterstützte damals 2020 noch die AfD im Wahlkampf. Das muss allen Demokrat*innen Mahnung sein: Wo Rechtsextreme hetzen, ist Gewalt nicht weit. Konsequent ist deshalb auch die voraussichtliche Einstufung der gesamten AfD als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz im März. Damit müssen bei allen, die noch immer glauben, in gemeinsamen Koalitionen könnten Rechtsextreme irgendwie “eingehegt” werden, die letzten Zweifel zum Charakter dieser Partei beseitigt sein.
Ihnen danke ich sehr für Ihren Mut, Ihr Engagement und die Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung.
Ihr Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung |