In der Auseinandersetzung mit der “Manosphere” wird der Blick häufig auf ihre Präsenz in ihren eigenen nischigen und oftmals abgelegenen Foren geworfen. Das erzeugt ein Bild, in welchem digitaler Antifeminismus nur in isolierten Nischen-Gemeinschaften stattfindet und kann zur Folge haben, dass das Ausmaß von strukturellem Frauenhass in digitalen Räumen unterschätzt wird. Dieser erfreut sich in populären sozialen Medien wie TikTok großer Reichweite. Da der Algorithmus von TikTok darauf ausgelegt ist, Nutzer*innen möglichst lange in der Anwendung zu halten, werden vor allem polarisierende und intensive Videos vorgeschlagen. Dadurch findet man sich schnell in einem “Rabbit Hole” wieder, in dem zahlreiche Videos mit ähnlichem Inhalt abgespielt werden. Das kann dazu führen, dass insbesondere junge Menschen es beim stundenlangen Scrollen nicht bemerken, wenn die Inhalte immer extremer werden. Davon profitieren vor allem User*innen, die TikTok nutzen, um ihre hasserfüllten Ideologien zu verbreiten. Durch Strategien, wie Umwegskommunikation, pseudo-wissenschaftliche Falschinformationen oder scheinbar humorvolle Inhalte, sind die hasserfüllten Botschaften für viele nicht als solche erkennbar.
Antifeministische Accounts verbreiten ihre Ideologie jedoch nicht nur durch ihre Videos, sondern greifen auch gezielt feministische Accounts an. Zum Beispiel rufen Men’s-Rights-Activists ihre Follower*innen häufig dazu auf, die Posteingänge oder Kommentarspalten bestimmter Accounts mit Hass zu fluten. In extremen Fällen münden diese Angriffe in misogynen Hetzkampagnen. Vor allem Frauen und queere Menschen, die sich politisch äußern, werden Ziel dieser Angriffe, was zur Folge haben kann, dass diese ihre Aktivitäten auf der Plattform einstellen.
Eine Recherche des ISD (Institute for Strategic Dialogue) hat herausgestellt, dass Anhänger der MGTOW-Community misogyne Inhalte auf TikTok mit anderen Hass-Ideologien, wie zum Beispiel "White Supremacy" (dt. "Weiße Vorherrschaft") kombinieren.
Auch die Incel-Community ist auf der Plattform vertreten. Unter dem Hashtag #Inceltok hatten sie ihr Forum und ihre Community auch auf TikTok etabliert. Zudem wurden von einigen Nutzern auch Aufnahmen und Texte von Attentätern, wie Elliot Rodger, auf TikTok hochgeladen. Der selbsternannte Incel verübte 2014 einen Anschlag in Santa Barbara, bei dem er sieben Menschen tötete. In einem dieser Videos äußerte er seine Pläne, Menschen - vorrangig Frauen - zu ermorden. Die Plattform zeigt mittlerweile eine Warnung an, wenn Nutzer*innen gezielt nach Incel-Inhalten suchen. Die Strömung der “Manosphere”, welche aktuell die größte Reichweite auf TikTok hat, ist wohl die der Dating- bzw. Männlichkeits-Coaches und Pick-Up-Artists. Ihre Inhalte wirken teilweise unpolitischer als die von anderen Strömungen, weshalb sie auch Zielgruppen außerhalb der “Manosphere” erreichen. Doch gerade hier findet man offen misogyne Inhalte, die auf TikTok viral gehen (siehe Newsletter-Ausgabe 23).
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