Visualising Democracy Newsletter #7

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Strategien von Hatefluencer*innen – Was macht sie so erfolgreich?

Hass und Hetze als Erfolgskonzept: Rechtsaußen-Akteur*innen tarnen sich als unterhaltsame Lifestyle-Influencer*innen und erreichen mit Rassismus und Desinformation täglich Tausende. Für viele sind die sogenannten „Hatefluencer*innen“ ein erster Kontaktpunkt mit extremen Inhalten in sozialen Medien. Aber wieso sind sie so erfolgreich?

 Themen Hate Speech / Desinformation / TikTok / Strategien

Identifikation mit „charismatischen“ Persönlichkeiten

Das Erfolgsrezept ist relativ simpel: Content Creator*innen bewegen ihre Zuschauer*innen dazu, Videos anzuschauen, damit zu interagieren und lange auf der Plattform zu verweilen. Je besser ihnen das gelingt, desto mehr Reichweite bekommen sie und können ihre Inhalte unter Umständen sogar monetarisieren.

Influencer*innen gewinnen gerade dann enorme Reichweiten, wenn sie sich nahbar präsentieren – auch, wenn den Zuschauer*innen nur der Eindruck vermittelt wird. Hatefluencer*innen nutzen das aus. Oftmals benutzen sie Humor – wenn man es so nennen möchte – um Sympathien zu wecken und stellen politische Inhalte so vereinfacht wie möglich dar. Politik wird zu Lifestyle und Unterhaltung. Dazu gehören gebetsmühlenartige Wiederholungen ihrer Standpunkte und vor allem Provokation. Zuschauer*innen empfinden sie dadurch als charismatisch. Vor allem ihre Hauptzielgruppe: junge, weiße, cis-Männer, die auf der Suche nach Identifikation sind.

Die Influencer*in Triene85 gibt Einblicke in ihren Alltag und veröffentlicht unterhaltende Videos. Gleichzeitig verbreitet sie regelmäßig rassistische und rechtsextreme Inhalte.

Grundvoraussetzung für den Erfolg von Hatefluencer*innen ist, dass sie viele Menschen erreichen. Dafür thematisieren sie vor allem kontroverse Themen, um die größtmögliche Interaktion hervorzurufen und „viral zu gehen“, also extrem hohe Reichweiten zu erzielen. Ein Mittel dafür ist Desinformation. Fakten oder gar die Realität sind zweitrangig. Dabei zögern sie nicht, rassistische Ressentiments oder queerfeindliche Ansichten zu propagieren.

Trotzdem weisen die Hatefluencer*innen jeden Vorwurf von sich, rechtsextrem oder rassistisch zu sein – sie distanzieren sich oberflächlich und versuchen weiterhin Politik als Lifestyle-Thema zu verkaufen, das nicht unnötig verkompliziert werden müsse.

Infiltrierung: Hauptsache es polarisiert

Im ersten Schritt erreichen Hatefluencer*innen mit kontroversen Standpunkten viele Menschen. Darauf folgt der zweite – die Infiltrierung.

Rassismus, Hass und Desinformation haben nur selten Konsequenzen, wie zum Beispiel die Löschung des Profils oder gar eine Strafanzeige. Einerseits entsteht Empörung, andererseits wird die  Zielgruppe erreicht, die Zuspruch gibt. Es entsteht eine Wechselwirkung: Der kontroverse oder radikale Inhalt gefällt, wird gar erwartet und Hatefluencer*innen fühlen sich erst recht berufen, derartige Inhalte zu veröffentlichen. Um Hass und Hetze zu verbreiten und eben genau damit auch Reichweite aufzubauen. Die Gruppe von User*innen, die diese Ansichten teilt oder übernimmt kristallisiert sich immer stärker heraus und kann sich gleichzeitig vernetzen.

Infiltrierung funktioniert vor allem besonders gut, wenn es innerhalb einer Community Unstimmigkeiten gibt. Zum Beispiel wenn ein Schwarzer Schauspieler für die Hauptrolle eines langerwarteten Films besetzt wird, für einen im Original womöglich weißen Charakter. Rechtsalternative Gruppierungen stören sich daran, während Andere die Besetzung verteidigen. Follower*innen von Hatefluencer*innen werden in Kommentarspalten, Foren etc. geschickt, um zu provozieren und Rechtsaußen-Positionen zu vertreten, gerne gemischt mit Desinformation.

Aufruf eines rechtsradikalen Users zu gesteuerten Hasskampagnen zu aktuellen Thematiken in einem rechtsextremen Discord-Kanal (Quelle: ISD) 

Die Community beginnt, immer radikalere Positionen anzunehmen und zu verteidigen. Kritiker*innen werden öffentlich diskreditiert. Sie verstünden einfach keinen Spaß oder seien zu sensibel. Humor ist erneut das Mittel zum Zweck: Die Community, die Hatefluencer*innen nun um sich bilden, lacht über rassistische oder rechtsradikale Witze oder Memes. Wird die Community aber mit ihrem Rassismusproblem konfrontiert, empört sie sich über eine angeblich pauschale Verurteilung.

Isolation: Wenn die Community radikal wird

Die Krux: Die inhaltliche Auseinandersetzung mit anderen Positionen, die in einer demokratischen Gesellschaft so wichtig ist, nimmt ab, je tiefer User*innen in den metaphorischen Kaninchenbau eintauchen. Und genau das möchten Hatefluencer*innen: Sie ermutigen ihre Community, den Kontakt mit liberaleren Menschen abzubrechen oder einzuschränken. Im Englischen nennt man das „defooing“. Wörtlich ist damit die Abkopplung von der eigenen Familie gemeint. Hatefluencer*innen möchten eine bzw. die einzige Community schaffen in der sich ihre Anhänger*innen verstanden fühlen.

In dieser Radikalisierungsspirale werden auch die Inhalte der Hatefluencer*innen und ihrer Community immer extremer. Fallen sie wiederholt durch gefährdende Inhalte auf und verstoßen eindeutig gegen die Nutzungsbedingungen der Plattform, so wird ihr Account von der Plattform gelöscht. Wie eingangs erwähnt ordnen die Plattformen viele rassistische und demokratiefeindliche Inhalte noch viel zu selten als solche ein. Vollziehen die Betreiber*innen aber ein „Deplattforming“, so schränken sie Hatefluencer*innen entscheidend ein. Durch das Deplattforming verlieren sie ihre Follower*innen und damit wichtige Reichweite.

Gleichzeitig ist es für bereits gelöschte Akteur*innen derzeit noch sehr einfach, sich einen neuen Account zu erstellen. Dazu hängen Hatefluencer*innen meist nur eine Zahl oder ein Sonderzeichen an ihren Accountnamen, sind so einfach wieder auffindbar und vor allem die radikaleren Teile ihrer Community folgen ihnen schnellstens wieder. So isolieren sich Hatefluencer*innen und ihre Communities immer stärker von liberaleren Nutzer*innen.

Viele Hatefluencer*innen sorgen dem Deplattforming bereits vor: Sie erstellen ähnliche Zweitprofile und bewerben sie bereits, während sie noch mit ihrem Hauptprofil auf der Plattform vertreten sind (Screenshot).

Die Strategien von Hatefluencer*innen sind vielfältig. Gemein haben sie, dass sie mittels sozialer Medien versuchen, Menschengruppen bewusst zu spalten und für ihre Ideologie zu gewinnen. Hier sind einige konkrete Methoden, die sie dafür gerne verwenden.

Dogwhistling

Eines der beliebtesten Werkzeuge von Hatefluencer*innen ist das sogenannte Dogwhistling, also eine „Hundepfeife benutzen“. Mit einer Hundepfeife erzeugt man Töne, die für das menschliche Ohr nicht hörbar sind. Hunde hingegen reagieren auf diesen Ton und rufen antrainiertes Verhalten ab. Von außen scheint es so, als würde der Hund von selbst so handeln, der externe Impuls ist zunächst nicht erkennbar.

Auf die Kommunikation in sozialen Medien übertragen heißt das: Hatefluencer*innen benutzen Begriffe und Codes, die von der eigenen Community verstanden werden. Es muss nicht zwingend erwähnt werden, dass man zu einer bestimmten Handlung aufruft oder sie zumindest sehr gerne in Kauf nimmt, die eigenen Follower*innen verstehen die Message. Ein Beispiel: Die fiktive Figur „Pepe der Frosch“ wird in den sozialen Medien genutzt, um antisemitische und rassistische Meinungen zu verbreiten. Für das ungeschulte Auge sind sie nicht direkt als rechtsextrem zu erkennen. Menschen, die derartige Inhalte liken und teilen wissen allerdings in der Regel, was dahinter steckt. Gleichzeitig halten sich Hatefluencer*innen so stets eine Hintertür offen. Im Zweifel sei alles gar nicht so gemeint oder nur ein Scherz gewesen.

Elon Musk verwendet regelmäßig rechte Memes. Im November 2022 teilte er ein Meme, das „Pepe den Frosch“ zeigt (Screenshot).

Algospeak

Die Plattformen blockieren bereits einige Begriffe, die sie als diskriminierend oder beleidigend einstufen. Da sie ein wichtiges Mittel von Hatefluencer*innen sind, nutzen sie die sogenannte „Algospeak“, um der Einschränkung durch die Plattform zu umgehen. Sie zum Beispiel teilweise Buchstaben durch Zahlen aus oder verwenden bestimmte Emojis, um ihren Hass zu verbreiten und an ihre Zielgruppe auszuspielen. So wird „Nazi“ einfach durch „N4z1“ ersetzt und der Algorithmus ist erfolgreich ausgetrickst.

Disclaimer

Ein weiteres Mittel, um einer Einschränkung durch die Plattform zu entgehen sind „Disclaimer“. So werden rechtsextreme Bilder und Videos geteilt, aber mit den Worten „Nur zu Bildungszwecken“ oder „Fake-Waffen“ versehen, um der Plattform zu vermitteln, dieser Content müsse nicht gesperrt werden. Wie effektiv diese Strategie funktioniert ist nicht ausreichend dokumentiert, in jedem Fall ist sie ein weit verbreitetes Phänomen.

„Du kannst immer noch Nazi-Videos posten, wenn du die entsprechend zensierst.“ Auf Telegram kursieren Empfehlungen, wie man die TikTok-Kontrollmechanismen umgehen kann (Quelle: Belltower.News-Screenshot).

Crossmedialität

Auf einmal ist er da: der Shitstorm. Oft macht der Algorithmus einen Inhalt für Menschen sichtbar, die ihrem Hass in den Kommentarspalten freien Lauf lassen. In anderen Fällen sorgen Hatefluencer*innen bewusst dafür. Sie mobilisieren ihre Community, ausgewählte Akteur*innen verbal anzugreifen – crossmedial. So streckt sich ein Shitstorm oftmals über mehrere Plattformen und setzt politische Gegner*innen so zusätzlich unter Druck.

Sind euch derartige Strategien online schonmal begegnet? Und mit welchen Herausforderungen seht ihr euch in der täglichen Arbeit konfrontiert? Wir freuen uns über eure Rückmeldungen, Fragen oder ein paar nette Worte – schreibt uns einfach, falls ihr was loswerden wollt:

visualising.democracy@amadeu-antonio-stiftung.de

													 Quellenverzeichnis

												

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