„Das sind Fake News!“ – Es ist ein Satz, der wie kein anderer für eine undifferenzierte und knappe Medienkritik genutzt wird. Aber was sind Fake News überhaupt? Wir sprechen in unserem Projekt konkret davon, Desinformation in sozialen Medien zu bekämpfen. Gehören „Fake News“ dazu oder wie unterscheiden sie sich von „Desinformation“ und „Misinformation“? In dieser Ausgabe beleuchten wir, welche Begriffe wir verwenden und wieso – denn bereits die Begrifflichkeiten können irreführend sein. Aber der Reihe nach.
Themen Desinformation / Verschwörungsideologien / politische Bildung
Überforderung im Information-Overload
Mit der zunehmenden Fülle an Informationen, die wir täglich rezipieren, steigt gleichzeitig die Anzahl an Falschinformationen. Allein bei Facebook werden täglich etwa 4,75 Milliarden Posts abgesetzt, bei Instagram werden täglich über 400 Millionen Stories veröffentlicht. Eine schier endlose Menge an Daten, die wir täglich einordnen müssen. Dabei echte und falsche Informationen auseinanderzuhalten kann ziemlich komplex werden. Zumal einige Falschinformationen gewollt verbreitet werden, während andere Informationen in diesem Datenfluss unbewusst geteilt werden.
Misinformation
In dieser riesen Menge an Informationen werden unweigerlich auch falsche Inhalte verbreitet. Teils sollen sie bewusst irreführend wirken. Oftmals liegt jedoch keine konkrete Täuschungsabsicht vor. Derartige Inhalte werden als Misinformation bezeichnet. Dazu zählen beispielsweise versehentliche Falschmeldungen oder etwa die falsche Zuordnung von Bildern und Videos in der Berichterstattung oder in Social Media-Posts. Diese Form der Falschdarstellung kann durch diverse Faktoren beeinflusst werden. Journalist*innen arbeiten unter großem Zeitdruck und andererseits sind viele private Kommunikator*innen wenig geschult, wie man eine Information sauber recherchiert oder eine Falschmeldung erkennt. Zusätzlich sind Privatpersonen nicht verpflichtet, sich an journalistische Kriterien zu halten. So kann ein falsches Bild einer Situation gezeichnet werden, ohne eine konkrete Täuschungsabsicht zu haben. Die Täuschungsabsicht ist der zentrale Faktor in der Unterscheidung zwischen Misinformation und Desinformation. Auch wenn eine klare Abgrenzung in einigen Fällen schwierig ist, da nicht immer direkt erkenntlich ist, ob Informationen willentlich oder versehentlich falsch widergegeben oder produziert wurden. Die Übergänge zwischen Misinformation und Desinformation sind fließend.
Als im Jahr 2019 Waldbrände im brasilianischen Amazonas-Regenwald lodern, teilen Social Media-Nutzer*innen tausendfach vermeintliche Bilder der Brände, um darauf aufmerksam zu machen. So auch Schauspieler und Umweltaktivist Leonardo DiCaprio.
Es stellt sich heraus: das Bild wurde tatsächlich im Jahr 1989 von „Sipa Press“ – einer französischen Bildagentur – aufgenommen und dann im Jahr 2007 von „The Guardian“ in einem Artikel namens „Deforestation in the Amazon“ veröffentlicht. Ein klassischer Fall von Misinformation.
Desinformation
Während Misinformation unbewusst weiterbreitet wird, ist Desinformation immer gezielt. Der Desinformation kann eine gezielte Täuschungsabsicht durch eine Privatperson zugrunde liegen, aber auch staatlich initiierte Desinformation, wie sie in den letzten Jahren immer häufiger zu beobachten ist. Zum einen werden Texte, Bilder und Videos mit falschen Informationen angereichert oder erstellt. Zum anderen kommt mit dem technologischen Fortschritt eine neue Dimension hinzu: sogenannte Deep Fakes. Dabei werden Videos und Bilder mit Computerprogrammen so manipuliert, dass der Anschein erweckt wird, sie seien tatsächlich so aufgenommen worden.
Unter anderem im März 2022 kursierte ein Video in den sozialen Medien, das den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelenskyy zeigt, wie er die ukrainischen Truppen angeblich auffordert, ihre Waffen niederzulegen und sich den russischen Truppen zu ergeben. Die ukrainische Seite vermutet, dass dieser Deep Fake Teil einer russischen Desinformationskampagne ist. Auch rechtsextreme Gruppen nutzen Desinformation beispielsweise in der Corona-Pandemie, um Unsicherheiten zu verstärken und Hass zu schüren. Das übergeordnete Ziel besteht dann meist darin, das Vertrauen in staatliche Akteur*innen zu erschüttern und ihren eigenen Unterstützer*innen-Kreis zu erweitern.
Desinformation zu erkennen, ist nachweislich für die meisten Deutschen durch alle Bildungs- und Altersgruppen hinweg sehr schwierig. Im Rahmen einer Medienkompetenzstudie wurden Proband*innen eine fiktive Falschinformation über abgesagte Operationen während des Lockdowns in der Corona-Pandemie vorgelegt. Lediglich 43 Prozent erkannten sie als solche.
Fake News
Bei sogenannten „Fake News“ handelt es sich wörtlich um falsche bzw. im Sprachgebrauch vor allem um gefälschte Nachrichten. Denn der Terminus hat sich spätestens seit der US-Wahl im Jahr 2016 zu einem politischen Kampfbegriff entwickelt. Wer sich mit den Strategien von Populist*innen wie Donald Trump auseinandersetzt wird schnell merken: eine pauschale Medienkritik ist wichtiger Bestandteil ihrer Kampagnen. So nutzte Trump den Kampfbegriff wiederholt, um Medienhäuser und ihre Journalist*innen zu diskreditieren sowie unter seiner Wählerschaft ein Klima zu schaffen, das das Vertrauen in das demokratische Mediensystem schwächt und die Verbreitung von Desinformation begünstigt. So ist der Begriff „Fake News“ mittlerweile negativ konnotiert, wird aber umgangssprachlich weiterhin oft verwendet. Für eine klare begriffliche Trennung empfehlen wir von Misinformation und Desinformation zu sprechen.
Zusammenfassend ist also eine bewusste Täuschungsabsicht das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen Misinformation und Desinformation. Während in sozialen Medien beide Gattungen falscher Information kursieren, ist letztere gewollt initiiert – oftmals um das Vertrauen in demokratische Akteur*innen zu schwächen und eine Ideologie zu verbreiten. Dazu wird häufig auch der politische Kampfbegriff „Fake News“ verwendet, um Medienmacher*innen zu diskreditieren. Zwei wichtige Faktoren, die die Verbreitung von Misinformation und Desinformation begünstigen, sind eine geringere Medienkompetenz und riesige Mengen an Information, die wir in sozialen Medien innerhalb kürzester Zeit einordnen müssen. Aber damit ist das Problem in seiner Gänze noch lange nicht erfasst. Was tun die Politik und die Netzwerke dagegen? Wie entsteht Verschwörungsglauben, der auf Desinformation basiert? Und was kann man konkret dagegen tun? Das und mehr beleuchten wir in den nächsten Ausgaben.
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