es war schon wieder so ein Moment, bei dem ich mir wünschte, dass er aufrüttelt: die Kommunalwahlen in NRW. Die AfD hat ihr Ergebnis im bevölkerungsreichsten Bundesland fast verdreifacht, in Städten wie Gelsenkirchen, Duisburg und Hagen steht sie in der Stichwahl um das Amt des Stadtoberhauptes. Wer ernsthaft hinschaut, sieht nicht nur Zahlen, sondern erkennt vielleicht nun endlich die veränderte Realität: Rechtsextremes Denken ist überall in Deutschland mitten in unserer Gesellschaft angekommen.
Solche Ergebnisse sind nicht abstrakt. Sie bedeuten, dass Nachbar*innen Angst haben, dass Menschen unsicher sind, dass Ausgrenzung politische Mehrheiten bekommt. Jetzt sollte klar sein, dass die innere Distanz eines „mich betrifft es nicht“, die viele im Westen noch pflegen, dringend von einer Idee des aktiven Umgangs abgelöst werden sollte. Rechtsextremes Denken ist kein „Ost-Problem“. In Westdeutschland wächst es, noch immer unterschätzt, während Engagierte im Osten seit Jahrzehnten Strategien und Netzwerke gegen die rechtsextreme Landnahme erarbeitet und ausprobiert haben. Und das nicht ohne Erfolg, von dem alle schon längst hätten lernen sollen, es aber sehr wohl immer noch tun können.
Gleichzeitig sehen wir im Osten wie im Westen: Die Zivilgesellschaft gibt nicht klein bei. In Bostelwiebeck in Niedersachsen haben sich am Wochenende zahlreiche Initiativen aus ganz Deutschland getroffen. Sie berichteten von Druck, Diffamierung und fehlender Unterstützung – und doch war da diese große Kraft: der Mut, weiterzumachen, sich zu vernetzen und Rechte laut einzufordern. Mutiger als je zuvor, sichtbarer als je zuvor.
Auch wir werden nicht zurückweichen. Die Ausschreibung für den Amadeu Antonio Preis ist gerade gestartet und macht deutlich: Wir wollen Engagement, das sich gegen den eskalierenden Rassismus in diesem Land stellt, sichtbar machen und die Würdigung zukommen lassen, die es verdient.
Denn ohne Zivilgesellschaft geht es nicht, auch wenn das aktuell ganz grundsätzlich infrage gestellt wird. Sie ist das Rückgrat unserer Demokratie – und sie braucht Schutz, Anerkennung und politische Unterstützung. Und was wir nicht zulassen werden, ist, dass man uns in Kategorien einteilt. Egal ob Sportvereine, soziokulturelle Initiativen, Feuerwehren, Omas gegen Rechts oder die Amadeu Antonio Stiftung: Wir alle sind Teil einer vielfältigen, starken Zivilgesellschaft. Und nur gemeinsam sichern wir die Zukunft unserer Demokratie.
Herzliche Grüße Tahera Ameer
Programmvorständin der Amadeu Antonio Stiftung |