am 8. Mai jährt sich die Befreiung vom Nationalsozialismus zum 80. Mal. Ein bedeutender Tag, der uns mahnt und verpflichtet: zur Erinnerung, zur Selbstreflexion – und zum Handeln. Denn das demokratische Versprechen dieses Landes steht heute so sehr auf dem Spiel wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Während Rechtsextreme den 8. Mai nutzen, um ihren Geschichtsrevisionismus in die Öffentlichkeit zu tragen – etwa in Demmin, wo sie Massen-Suizide am Kriegsende zu einem Symbol „deutschen Leids“ umdeuten wollen – steht die Zivilgesellschaft dagegen auf. Seit Jahren organisiert das Aktionsbündnis 8. Mai Demmin dort ein lautes, buntes Friedensfest. In diesem Jahr ruft das Bündnis bundesweit zur Teilnahme an den Gegenprotesten auf, die die Amadeu Antonio Stiftung mit einer Förderung unterstützt. Aus vielen Städten Deutschlands wird eine gemeinsame Busanreise organisiert. Diese Solidarität ist ein kraftvolles Zeichen! „Wer den 8. Mai betrauert, trauert dem NS-Regime hinterher“ erklärt Heinz Wittmer vom Aktionsbündnis, „und verhöhnt damit alle Opfer des Nationalsozialismus – auch die Demmins“.
Wir erleben eine Zeit, in der Erinnerungskultur und demokratische Grundwerte zunehmend unter Druck geraten – durch rechte Gewalt, rassistische Polizeistrukturen, sprachliche Verrohung und politische Gleichgültigkeit. Der tödliche Polizeieinsatz gegen den 21-jährigen Lorenz A. in Oldenburg, die nicht endende Forderung nach Aufklärung im Fall von Oury Jalloh, das staatliche Wegschauen bei rechter Hassgewalt: All das zeigt, wie brüchig das Versprechen auf Gleichwertigkeit und Schutz für alle geworden ist.
Wie wichtig zivilgesellschaftliche Erinnerungsarbeit ist, zeigt sich, wenn der Staat seiner Aufgabe nicht mehr gerecht wird und selbst staatlich anerkannte Todesopfer rechter Gewalt nachträglich aus unerfindlichen Gründen aberkennt. So wie im Fall von Christopher W., der aus homofeindlichen Motiven brutal ermordet wurde. Es ist einer der vielen Tiefpunkte, die wir aktuell erleben und vollkommen unerträglich. Was für ein Signal an die Täter, was für eine Verachtung gegenüber dem Opfer und den Angehörigen und gegenüber allen queeren Menschen, für die Hass, Hetze und Gewalt zum grausamen und feindseligen Alltag gehören.
Gerade jetzt ist es entscheidend, dass wir uns selbstbestimmt erinnern – aus Perspektiven der Betroffenen, mit ihren Stimmen im Zentrum. Die Plattform selbstbestimmt-erinnern.de, die von und mit Betroffenen entwickelt wurde, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer solidarischen, demokratischen Erinnerungskultur. Sie zeigt: Es geht nicht nur um Vergangenheit, es geht um das Heute – und um unsere Zukunft.
Denn während Demokratien weltweit immer stärker unter Druck geraten, darf uns hierzulande nicht dasselbe passieren. Der Aufstieg der extremen Rechten, die Normalisierung von Menschenfeindlichkeit, das internationale Wegbrechen solidarischer Strukturen – all das verlangt mehr als bloße Empörung. Es braucht strategisches, gemeinsames Handeln.
Der 8. Mai gibt einen Auftrag: an uns alle, die wir die Freiheit, Vielfalt und Würde in diesem Land verteidigen wollen. Lassen wir ihn nicht zu einem bloßen Gedenktag verkommen – machen wir ihn zu einem Tag des Aufbruchs. Die Zivilgesellschaft ist widerständig und nicht bereit, die Errungenschaften von sozialen Bewegungen, erinnerungskulturellen Kämpfen und das Versprechen von Schutz und Freiheit für alle hier lebenden Menschen aufzugeben. Der 8. Mai ist ein Tag der Befreiung, für den wir alle dankbar sein müssen. Und ein Tag, der uns mahnt, den Menschen, die für diese Freiheit einstehen und kämpfen, den Rücken zu stärken.
Ihre Tahera Ameer Vorständin der Amadeu Antonio Stiftung |