heute vor 92 Jahren, am 30. Januar 1933, wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt – ein Tag, der den Beginn der Zerstörung der Weimarer Demokratie markierte. Viele konservative Kräfte glaubten damals, sie könnten die Nationalsozialisten einhegen, kontrollieren oder für ihre eigenen Zwecke nutzen. Die Folgen waren fatal: Nur wenige Wochen später brannte der Reichstag, das Ermächtigungsgesetz hob die Gewaltenteilung auf, und der Weg in den Führerstaat war unumkehrbar. Der 30. Januar 1933 steht als Mahnung, wie schnell Demokratien kippen können – besonders wenn demokratische Parteien glauben, mit extremen Rechten taktieren zu können.
Unsere Demokratie steht – 80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus – vor einer Zerreißprobe. Was lange als Gründungskonsens der Bundesrepublik Deutschland galt – keine Zusammenarbeit mit Demokratiefeinden und Nazis – gerät ins Wanken. Ein solcher Tabubruch, wie die gestrige Mehrheitsbeschaffung für einen CDU-Antrag mithilfe von Rechtsextremen im Deutschen Bundestag, war vor ein paar Tagen noch außerhalb jeder Vorstellungskraft. Nicht einmal die AfD hätte sich träumen lassen, so schnell zu einem so entscheidenden Machtfaktor zu werden. Gestern sprach im Bundestag ein AfD-Abgeordneter bereits vom „Beginn einer neuen Epoche“. Sie wissen ganz genau, dass allein sie von diesem Dammbruch profitieren. Rechtsextreme und populistische Kräfte gewinnen im atemberaubenden Tempo an Deutungsmacht.
Die Folgen dieses Tabubruchs sind noch nicht völlig sichtbar, könnten aber unumkehrbar sein. Gerade in den kommunalen Gremien könnten jetzt die letzten Hemmungen, mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten, fallen. Insbesondere in Sachsen und Thüringen, wo Regierungen ohne parlamentarische Mehrheiten arbeiten, kommt es mehr denn je auf Führungsstärke und einen Konsens der Demokrat*innen an.
Deutschland steht im Februar vor einer Richtungswahl. Darin liegen Gefahren, aber auch Chancen. Doch wir sagen auch klar: Demokratie ist nicht verhandelbar. Jetzt braucht es Haltung, Konzepte und entschlossenes Handeln. Mit unseren Online-Talks „Demokratie spricht“ möchten wir uns aktiv an diesen wichtigen Debatten beteiligen. Mit Expert*innen, Politiker*innen und Wissenschaftler*innen beleuchten wir Themen, die die Bundestagswahl und einen möglichen Koalitionsvertrag prägen: Rassismus und Migration im Wahlkampf, die Normalisierung rechtsextremer Positionen, Frauenfeindlichkeit und Antifeminismus sowie die Bedrohung durch autoritäre Tech-Giganten. Schauen Sie unbedingt rein! Die Amadeu Antonio Stiftung wird sich als Think-and-Do-Tank im Wahlkampf und darüber hinaus einbringen – mit Positionspapieren, zahlreichen Workshops zu in- und ausländischer Desinformation und als Gesprächspartnerin in den Medien.
Die Amadeu Antonio Stiftung stellt weiter Fördermittel für Projekte in Ost- und Westdeutschland zur Verfügung. Angesichts der wachsenden Gefahr rechtsextremer Normalisierung fördern wir Initiativen, die sich vor Ort für Solidarität, Vielfalt und demokratische Werte einsetzen. Ob in Städten, ländlichen Räumen oder strukturschwachen Regionen – wir stehen zusammen, um gemeinsam gegen Hass und Hetze vorzugehen. Wenn es Ihnen möglich ist, freuen wir uns über jede Spende, mit der wir weitere Projekte fördern können.
Die Bundestagswahl wird elementare Weichen stellen. Demokrat*innen müssen jetzt handeln. Die Prüfung eines AfD-Verbots ist ein Weg, den viele Engagierte gegen Rechtsextremismus in Ostdeutschland fordern. Aber Demokratie wird vor allem auch vor Ort gestärkt: Betroffene müssen geschützt, Hasskriminalität konsequent verfolgt, digitale Hetze eingedämmt und Rassismus wie Antisemitismus in jeder Form geächtet werden – ohne ein Gegeneinander-Ausspielen. Vor allem aber muss die Zivilgesellschaft professionell und nachhaltig gefördert werden.
Gemeinsam können wir zeigen, dass unsere Demokratie wehrhaft bleibt – und dass sie unsere bleibt. Ich danke allen, die uns mit einer Förderung für unsere Arbeit unterstützen und den über 100.000 Menschen, die in diesem Januar zur Verteidigung der Demokratie auf die Straßen gegangen sind und es auch weiter tun.
Verteidigen wir am 23. Februar die Demokratie auch an den Wahlurnen!
Mit entschlossenen Grüßen Ihr Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung |